Sankt Petersburg & Moskau über Silvester

Sankt Petersburg bei Nacht
Sankt Petersburg bei Nacht

Moskau im Regen – Tränen im Gesicht. Wer hätte gedacht, dass man Ende Dezember eine Russlandreise mit diesem Flippers Klassiker in Verbindung bringt?

 

Doch von vorn: Im vergangenen Herbst reifte die Idee, die strategisch günstig gelegenen Weihnachtsfeiertage für eine Urlaubsreise zu nutzen. Frühzeitig kristallisierte sich eine Nachtzugfahrt Richtung Osteuropa heraus, welche aber leider aus den hier aufgezählten Gründen nicht zustande kam. Unvernünftigerweise ist das Flugzeug neben der schnellsten Reisemöglichkeit fast immer auch noch die günstigste. Am Anfang war der komplette Urlaub auf Moskau ausgelegt, aber viele Bekannte meinten, dass Sankt Petersburg viel schöner sei. Wir ließen uns beeinflussen und splitteten den Urlaub in vier Tage Zarenstadt und vier Tage Hauptstadt. 

Taxi St. Petersburg
Per Taxi vom Flughafen zum Hotel

Am Freitag den 27.12. ging früh morgens unsere Reise los. Per ICE fuhren wir auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von der thüringischen in die bayrische Landeshauptstadt. In etwas mehr als drei Stunden die 360 km Luftlinie bis zum Flughafen zu überwinden ist sehr angenehm. Vor allem wenn man bedenkt, dass 1/3 der Reisezeit für die S-Bahn zum Flughafen drauf gegangen sind. Als Fluggesellschaft beförderte uns Rossija nach Sankt Petersburg. Die Flugdauer beträgt 2:50h plus zwei Stunden Zeitverschiebung. Bei einem Abflug um 12 Uhr deutscher Zeit bedeutet das eine Ankunft um 17 Uhr Uhr Ortszeit. Vorab hatten wir von unserem Hotel ein Angebot erhalten, dass uns dort für umgerechnet 15 € ein Taxi abholt. Bei einer Strecke von 20 km durchaus fair. Unser Taxifahrer wartete auch bereits auf uns und war typisch russisch sehr wortkarg. Dennoch eine angenehme Fahrt mit ersten Eindrücken der fünf Millionen Stadt und seinen Staus, die er gekonnt umfahren konnte. Als Unterkunft diente uns das drei Sterne Margarita Hotel für 42 € pro Nacht inkl. Frühstück. Ich kann das Hotel weiterempfehlen, da die Lage ruhig, dennoch zentral und sehr ordentlich / modernisiert ist. Innerhalb weniger Minuten erreicht man die Sadovaya U-Bahn-Station, sowie Linie 3 der Straßenbahn und viele Buslinien. 

Die Weihnachtsfeiertage sowie eine elf stündige Anreise in den Beinen (Straßenbahn, ICE, S-Bahn, Flugzeug, Igors Taxi) motivierte uns nur noch zu einem entspannten Abendessen in näherer Umgebung des Hotels. Hier landeten wir unseren ersten Glückstreffer bei der Restaurantauswahl (weitere sollten folgen). Zwar wurde es nichts mit der russischen Küche, aber bulgarisch schmeckt bekanntlich auch sehr gut. Das Bulgar ist ein kleines Restaurant, welches perfekt traditionelles mit moderne kombiniert. Sehr empfehlenswerter Ort! Im Anschluss erkundeten wir nur noch etwas das Viertel und deckten uns mit ein paar Getränken für das Zimmer ein. Interessanterweise bieten die kleinen Lebensmittelshops mehr Craftbiere & Mikrobrauerein als große Marken an (wie z.B. Baltika). Somit konnte meine Untappd Statistik nochmal ordentlich verbessert werden, Prost!

Generalstabsgebäude mit Blick auf den Winterpalast
Generalstabsgebäude mit Blick auf den Winterpalast

Am nächsten Morgen begann das natürlich das Sightseeing. Bei einer Handvoll Grad unter null war das mit einigen gewollten Pausen in Cafés und Restaurant gespickt. Entlang des Gribojedow Kanals trugen uns die Füße Richtung Eremitage. Es ist beeindruckend, wenn man vom Nevsky Prospekt durch die Bögen des Generalstabsgebäudes hindurchläuft und der riesige Palastplatz sich vor einem öffnet. Gekrönt durch das architektonische Meisterwerk, dem Winterpalast der Zarenfamilie. Im Sommer befinden sich hier tausende Touristen, zum heutigen Samstagmittag sind es weit weniger als  einhundert. Steinigt uns, betitelt uns als Kunstbanausen und noch viel mehr, aber wir haben die Eremitage nicht betreten. Aber wir sind an der Stelle ehrlich zu uns und haben übereinstimmend festgestellt, dass Kunstgemälde uns nicht sonderlich mitnehmen. Aus meiner Sicht macht es auch keinen Sinn dort durch zu huschen um auf seinem Handy dann ein Digitalfoto eines Rembrandt Gemäldes zu besitzen. Hierzu darf natürlich jeder seine Meinung haben. Dennoch ein Tipp für interessierte Besucher: Bucht vorab im Internet eure Tickets – vor allem wenn ihr im Sommer den Palast besuchen wollt. Ende Dezember gab es keinen großen Andrang, aber dafür sind viele Museen/Sehenswürdigkeiten auf Grund der Feiertage öfter geschlossen. So konnten wir leider nicht den Katharinenpalast in Puschkin sowie den Peterhof besichtigen. Dennoch wurden unsere Schulsohlen an diesem Tag noch ordentlich gequält. Fast alle Sehenswürdigkeiten im inneren Altstadtring haben wir trotz kalten baltischen Winds abgelaufen. Empfehlen kann ich ein Besuch der Blutskirche (auch Auferstehungskirche genannt). Trotz DDR-typischer atheistischer Erziehung bewundere ich diese Gebäude sehr. Dass die orthodoxe Kirche auf bunt steht ist kein Geheimnis, aber die Blutskirche ist wirklich ein Meisterwerk. Sie fällt auch in St. Petersburg auf, denn die Stadtarchitektur orientierte sich stark am italienischen Stil. Die Ikonen im inneren sind fast ausschließlich aus Mosaiken, das lässt einen wirklich staunen. 

Kazbegi Restaurant
Kazbegi Restaurant

Durch den Michailowski-Garten zog es uns zum Fontanka Kanal. Hier war unser Ziel die Golitysn Loft. Dieser Häuserkomplex ist längst kein Geheimtipp mehr, dennoch fanden sich am heutigen Tag kaum andere Touristen ein. Die Golitysn Loft ist ein großer Hinterhof, von außen total unscheinbar, und beheimatet mehrere Cafés, Restaurants, aber auch Kunstgalerien. Für die alternative Szene in Sankt Petersburg ein enorm wichtiger Freiraum. Wir aßen im Kazbegi, ein georgisches Restaurant. Allgemein ist die georgische Küche ein Traum! Ein nettes Gimmick war, dass die Speisekarte in Form eines georgischen Reisepasses gestaltet war. Anschließend besichtigten wir noch die Sankt Petersburger Weihnachtsmärkte, liefen das Nevsky Prospekt hoch und runter und tranken hier und da zum Aufwärmen ein lecker Bier. Interessanterweise führte uns die Suche nach einem Abendessen wieder in kein russisches Restaurant. Diesmal hieß die uns gut bekannte serbische Küche willkommen. Das Ukusno bietet eine modern interpretierte Balkanküche und ist echt zu empfehlen. Auch der serbische Hooligan Ivan Bogdanov fand Einzug in die Deko des Lokals. Nach ca. 25 km Fußmarsch durch die Zarenstadt, war abends natürlich keine große Party mehr angesagt. Ein interessanter erster Tag ging zu ende.

Weihnachtsmarkt in Sankt Petersburg
Weihnachtsmarkt in Sankt Petersburg
Sevkabel Port
Kreativflohmarkt im Sevkabel Port

Der nächste Tag sollte anfangs nicht im klassischen Sankt Petersburg Tourismus stehen. Ziel war Sevkabel Port. Ein Wort/Name, was den meisten erstmal nichts sagen wird. Es handelt sich um eine ehemalige Kabel Fabrik auf der Wassiljewski-Insel, direkt am Ufer des Finnischen Meerbusens. Seit September 2018 haben kreative Köpfe die alte Fabrik übernommen und füllen diese mit ihren Ideen. Hier befinden sich verschiedene Restaurants (jüdische Küche, Vegan,…), Cafes, Pubs, im Sommer ein Skatepark und Austellungshallen. In der größten Halle fand heute ein Kreativflohmarkt statt. Untermalt mit elektronischer Musik herrschte dort eine wunderbare Atmosphäre, ganz weit weg von den russischen Stereotypen die man vor so einer Reise mal aufgeschnappt hat. Diese kreative Oase, zwischen den heruntergekommenen Fabriken, ist ein toller Ort zum Verweilen. Wenn einem nicht bei minus 7 Grad die kalte Meeresluft ins Gesicht schlägt… Leider ist das ehemalige Hafengebiet nicht so gut per ÖPNV erschlossen:

ÖPNV in Sankt Petersburg:

 

Prinzipiell hat die Stadt ein gutes ÖPNV System. Das 125 km lange Metronetz ist täglich von 5:30 Uhr bis 00:45 Uhr in Betrieb. Neben der U-Bahn fahren täglich noch ca. 3000 (Oberleitungs-) Busse, Marschrutkas (kleine Busse) und Straßenbahnen durch die Stadt. Es empfiehlt sich Google Maps zu nutzen, da die Linien dort gut eingepflegt sind und die Routenberechnung funktioniert. Ist ein K vor einer Liniennummer, handelt es sich um einen Marschrutka. Das sind kleine Sammelbusse. Tagestickets gibt es für ca. 2,75 €, Einzelfahrten kosten rund 65 Cent. Problematisch ist der Verkehr zu den Stoßzeiten. Viele Straßen sind verstopft und man wartet auch mal länger auf Bus oder Bahn.

Straßenbahn Tram Sankt Petersburg
Aurora Schiff St Petersburg
Aurora Schiff

Nach dem wir die Kreativen der Stadt besucht haben, fuhren wir mit einer uralten Tatrabahn, welche ordentlich gewippt hat, Richtung Panzerkreuzer Aurora. Auf dem Weg dorthin erblickten wir das legendäre Petrowski Stadion, die Peter-und-Paul-Festung (Gründungsort der Stadt) und die ganz normale Stadt abseits der Haupttouristenströme.

Der Panzerkreuzer Aurora aus dem Jahr 1900 hat eine bewegte Geschichte. Das Schiff nahm an einer der größten Niederlagen des russischen Marine teil: die Seeschlacht bei Tsushima im russisch-japanischen Krieg von 1905. Aber auch an Rettungsaktionen wie beim Erdbeben von Messina 1908. Berühmtheit erlangte das Schiff während einer Reparaturphase 1916/1917 in Sankt Petersburg. Ein Großteil der Besatzung schloss sich den Bolschewiki an. Durch das Auslösen eines Platzpatronenschusses wurde der Startbefehl zum Sturm auf den Winterpalais (Sitz der prov. Regierung). Dieser Schuss gilt als Beginn der russischen Oktoberrevolution. Im zweiten Weltkrieg wurden die Waffen des Schiffes zur Verteidigung von Leningrad benutzt, das Schiff selber wurde getroffen und sank im Hafen der Stadt. Seit 1960 steht es per Gesetz unter Denkmalschutz und wurde bereits 1947 instand gesetzt. Das Schiff kann besichtigt werden, der Eintritt kostet rund 10 €. Im inneren befindet sich ein Museum, welches aber leider zu 90% auf Kyrillisch informiert.

Den restlichen Tag verbrachten wir auf den Straßen der Stadt. Es ist der 29.12. und man merkt, dass immer mehr Russen den Feiertag entgegenfiebern und auch frei haben. Die Straßen werden voller, die Leute hektischer. Als gescheitert kann man unseren Versuch ansehen, eines der größten Einkaufscenter der Stadt zu besichtigen (wie bei uns keine gute Idee kurz vor den Feiertagen!). Also zurück in unseren etwas ruhigeren Altstadtteil, lecker georgisch gegessen und die Füße geschont. 

Für den nächsten Tag sollte endlich die wunderschöne Sankt Petersburger U-Bahn genutzt werden. Betrachtet man die durchschnittliche Tiefe, ist es das tiefste Netz der Welt. Die tiefste Station der Welt kann in Kiew besichtigt werden. Unser heutiges Ziel war der große russische Staatszirkus, auch Ciniselli Circus genannt. Es ist einer der traditionsreichsten Zirkushäuser der Welt und bot eine wunderbare Weihnachtsstory. Im Anschluss zog es uns in das sowjetische Spielautomatenmuseum. Hier bin ich etwas hin und her gerissen. Die Automaten zu sehen, war schon richtig cool. Aber leider funktionierten nur noch wenige wirklich gut. Dennoch würde ich das Museum empfehlen, da das Gebäude schick ist und das Konzept stimmig ist. Vielleicht können ja zukünftig weitere Automaten repariert werden.

Fish market St Petersburg

Mit dem Zug von Sankt Petersburg nach Moskau

Sapsan Train Russia RZD
Mit dem Zug nach Moskau

Unsere letzten Stunden in St. Petersburg sollten entspannt verbracht werden. Gemütlich ausschlafen, frühstücken, packen und ab zum Bahnhof. Der Plan ging auch weitestgehend auf… Doch unser bestelltes Uber Taxi kam und kam nicht. Wobei, offiziell war es da. Nur nicht in unserer Sichtweite. Zumindest bekam ich die Meldung, dass der Fahrer angekommen sei. Also kam doch etwas Hektik auf, denn wir mussten ein neues bestellen. Kommt dieser auch nicht, könnte es eng werden. Aber dann ging alles gut. Am Bahnhof waren wir zuvor schon einmal vorbei gekommen und wussten daher, wo sich die Intercity Züge befinden, daher lief hier alles reibungslos. Auf dieser Strecke fahren im übrigen Siemens ICE Züge, im Schnitt 220 km/h, ohne eine Minute Verspätung auf rund 700 km. Was für ein technisches Wunder, dass die gleichen Züge hier bei allen möglichen klimatischen Bedingungen fahren. Und das großteils durch Sumpfgebiet am bekannten Arsch der Welt. Die Fahrt war wirklich entspannend und ruhig, für ca. 30 € pro Person auch angemessen. Gekauft hatten wir die Karten online bei der russischen Staatsbahn. Das sollte normalerweise kein Muss sein, aber am höchsten russischen Feiertag war es eine sehr gute Idee.

Pünktlich 14:55 Uhr erreichten wir den Leningrader Bahnhof in Moskau, bei Regen. Sofort kam mir der Flippers Hit "Moskau im Regen" in den Sinn. Sehr schön! Auf dem Komsomlskaja Platz, welcher die drei Bahnhöfe (Leningrader, Kasaner und Yaroslavskiy) verbindet, erblickten wir die erste der sieben Stalinschwester. Per Straßenbahn fuhren wir nur wenige Stationen in das kleine Boutique Hotel Mira. Auf Grund eines sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnisses kann ich das Hotel Mira weiterempfehlen. Die Zimmer sind ausreichend groß und sauber. Es gibt ein kleines Frühstück und die Anbindung an den ÖPNV ist sehr gut. Die Metrostation Prospekt Mira ist nur wenige hundert Meter entfernt. Dort fährt die Ringbahn, welche einen schnell in jede Richtung befördert. 

Silvester in Moskau

Weihnachtsmarkt auf dem Roten Platz
Weihnachtsmarkt auf dem Roten Platz

An Silvester fangen in Russland offiziell die Neujahrs-Feiertage an. Nahezu alle Menschen der Hauptstadt sind stets und ständig unterwegs. Wie plant man diesen Abend also in einem fremden Land und in einer riesigen Metropole? Man fährt auf den bekanntesten Platz der Stadt und schaut was passiert. Also sind wir per Bus einfach mal Richtung Roten Platz gefahren und tauchten in das Winter-Weihnachts-Wonder Land ein. Nach Durchsicht meiner Fotos muss ich zugeben, dass man dieses Weihnachtsdisneyland nicht ansatzweise auf seine Abzüge bannen konnte. Aber das ist wirklich mit keinem Weihnachtsmarkt in Deutschland vergleichbar.

Da wir zeitig dran waren, kamen wir noch problemlos auf den Roten Platz, denn die Zugänge werden von der Polizei mit zur Hilfenahme von Metalldetektoren bewacht. Gerne hätte ich etwas mehr den Platz zwischen Kreml und Kaufhaus Gum auf mich wirken lassen. Das hat aber der Gum-Weihnachtsmarkt mit seinen Eurodance und Technobeats, sowie tausende aufgedrehte Russen nicht zugelassen. Da sich die Plätze rund um den Kreml immer mehr füllten und es erst 19 Uhr war, entschlossen wir uns doch eine Kneipe in der Umgebung zu suchen. Das war gar nicht so einfach, denn entweder waren diese zu oder voll. Die Kellnerin eines Irish Pubs hatte dann aber erbarmen und lies uns rein. Ab hier sind meine Erinnerungen zugegeben etwas schwammig… Es wurde feucht fröhlich! Kurz vor 12 sind wir dann fix zur großen Moskwa-Brücke, denn dort fand eines der offiziellen Feuerwerke statt. Schnell noch für Unmengen an Geld eine Flasche Sekt in einer Bar erworben, denn ohne anstoßen wollten wir dann doch nicht das Neujahr einläuten. Diese Aktion war im Nachhinein gar nicht so ungefährlich, da trinken in der Öffentlichkeit streng untersagt ist. Das Feuerwerk war genial, die Laune ebenso – also zurück ins Pub und den angepeilten ruhigen Silvesterabend knapp verfehlt. Gegen vier Uhr Ortszeit ging es dann Richtung Hotel, dank Moskauer Stadtverwaltung auch gratis per U-Bahn. Dort angekommen gab es von der Rezeption noch eine Flasche Sekt geschenkt, Spasibo!  

New Year Moscow
Lomonossow Universität Moskau
Lomonossow Universität Moskau

Um Moskau genießen zu können war genau das nicht der Plan, lange feiern und dann ausnüchtern. Aber wie sagt man so schön: Dinge passieren. Also ging es heute etwas später los. Erstes Ziel war der Sperlingsberg und die dort ansässige Universität. Die Stadt wird man selten leerer wahrnehmen, als am Neujahrstag. Das Universitätsgebäude ist mit 235 Metern das höchste Gebäude der sieben Schwestern, welche alle im sozialistischen Klassizismus erbaut wurden. Auch wenn Stalin ein riesiges Arschloch war und man diese Gebäude als Stalin-Kathedralen bezeichnet, fasziniert mich der Baustil sehr. Schon die achte Schwester in Warschau hat mich in ihren Bann gezogen. Der Campus der Lomonossow Universität ist riesig, kein Wunder bei 41 Fakultäten.

Etwas entfernt von der Universität kann man einen sehr netten Blick über Moskau erhaschen. Sehr beeindruckend, wie sich das riesige Luschniki Stadion hervortut. Die Sperlingsberge sind sehr zu empfehlen, man kann auch vom Stadion per Seilbahn hochfahren. Anschließend ging es nochmal zum Kreml. Der Weihnachtsmarkt auf der Twerskaja-Straße ist einfach nur krass. Soviele LEDs, laute Musik und tanzende Leute. Es fehlte nur eins: der Schnee. Einen verzweifelten Versuch startete die Stadtverwaltung, in dem sie ein paar LKW Kunstschnee organisierte. Richtige Winterstimmung kam dennoch nicht auf. Normalerweise beträgt die Temperatur im Durchschnitt -8 Grad Ende Dezember. Jetzt hatten wir Temperaturen bis 8 Grad Plus. Aber, das ist kein Grund nicht Schnee zu schippen. Es gab tatsächlich städtische Angestellte, welche imaginären Schnee schippten. Beim Ersten dachte ich noch, dass Alkohol im Spiel war, aber ein Zeitungsbericht bestätigte unsere Beobachtung. Die Leute sind zum Schneeschippen angestellt, also wird auch Schnee geschippt. Genauso fuhren den ganzen Tag Schneeschieber durch die Stadt.

Dreifaltigkeitskirche Moskau
Dreifaltigkeitskirche

Schlagartig änderte sich das Bild am nächsten Morgen. Alles war weiß. Endlich ist der Schnee da, auf den selbst die Russen gewartet haben. Auf dem Weg zum Moskvarium, den größten Aquarium Europas, führte uns die Route durch einen Park. Endlich das Gefühl von knirschenden Schnee unter den Schuhen. Der Besuch des Moskvarium war okay. Es gab eine Show die extrem artistisch und sehr gut gemacht war. Allerdings war der Aquariumbereich viel zu voll. Ein Einlass-Stop längst überfällig. Somit kürzten wir diesen Bereich schnell ab und liefen durch den VDNKh-Park zur nächsten U-Bahn-Station. Hinter diesen globigen Namen verbirgt sich die Ausstellung der Errungenschaften der sowjetischen Volkswirtschaft. Alle (ehemaligen) Teilrepubliken der Sowjetunion stell(t)en in Pavillions ihre Errungenschaften aus. Diesen Park empfehle ich allen, welche eine ordentliche Portion Sowjetflair aufsaugen wollen. Zahlreiche Museen schließen sich dort an, u.a. ein Spielautomatenmuseum, Kosmonauten- und Raumfahrtmuseum und viele Ausstellungshallen. Natürlich muss man diesen Park auch kritisch sehen, der Protz und das viele Gold was hier verbaut wurde, hätte der Infrastruktur sicherlich besser getan. Auch wenn man die riesige Hungerkriese der ukrainischen Teilrepublik im Kopf hat und dann in Moskau vergoldetes Getreide sieht.

Im Anschluss wurde ein weiterer Versuch unternommen, den Roten Platz auf sich wirken zu lassen. Leider unterschätzten wir die Feiertage doch etwas zu sehr. Im Gegensatz zu Silvester, als uns der Platz schon leicht voll vorkam, platzte er jetzt aus allen Nähten. So entschlossen wir uns den Kern der Stadt zu verlassen und besuchten einen kleinen touristischen Geheimtipp im Osten der Stadt. Nahe der Partizanskaya Metrostation befindet sich der Izmaylovskiy Bazar. Ein Mekka für Liebhaber von Matrjoschka Puppen, Sowjet Militär Sammelfans und Kühlschrankmagneten Fanatiker. Kein Witz, wer typisch russische Souvenirs kaufen mag, sollte hier her kommen. 

Radisson Flotilla Moskwa
Radisson Flotilla - Schifffahrt auf der Moskwa

Nach dem wir noch die schönsten U-Bahn-Stationen Moskaus besichtigt haben, hatten wir eine Verabredung im Gorky Park. Dort wartete die Radisson Flotilla auf uns. Eine Schifffahrt auf der Moskwa ist eines der touristischen Highlights und ist wirklich empfehlenswert. Es gibt viele verschiedene Anbieter, wir hatten uns für Radisson entschieden und in der Standardklasse etwa 25 € pro Person bezahlt. Vom Gorky Park fuhren wir als erstes flussabwärts. Vorbei am Luzhniki Stadion, den Sperlingsbergen, bis zum Hotel Ukraina (seit der Ukrainekrise zufällig Hotel Moscow). Dort wurde gewendet und es ging Richtung Kreml bis zur großen Ustjinski-Brücke. Die Tour kann ich echt empfehlen, vor allem nach Sonnenuntergang. Es ergeben sich interessante Blickwinkel auf die Stadt. Die Radisson Flotilla fährt 365 Tage im Jahr, auch wenn es mal eisiger sein sollte.

Am nächsten morgen schwächelte leider meine Freundin etwas. Somit verbrachte ich den Vormittag ohne sie. Vielleicht war es aber auch das Ziel, welches sie nicht dazu bewegen konnte aufzustehen. Ich weiß es nicht genau… Aber das Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges kann ich mir nicht als Grund für ihre Schwäche vorstellen. Ja, da bin ich vielleicht ein bisschen zu sehr Nerd, aber dafür interessiere ich mich tatsächlich brennend. Umso enttäuschter war ich, vom angeblich größten Museum über den zweiten Weltkrieg, dann vor Ort. Es gibt Audioguides in jeder Sprache, die man sich vorstellen kann, außer in Deutsch. Einen pädagogischen oder wissenschaftlichen Mehrwert bietet dieses Museum leider auch nicht. Kinder können in Roter Armee Uniform mit einem Gewehr für Fotos posieren und Lasergame spielen. Einzig die riesige Ruhmeshalle, sowie der Flur der Tränen wirkten auf einen. Ein warum und weshalb es diesen Krieg gab, warum so viele sowjetische Männer verheizt wurden, wird nicht gestellt und nicht beantwortet. Die Vernichtung der Juden wird wie in vielen anderen osteuropäischen Erinnerungsorten nur am Rande erwähnt. 

Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges
Moscow Metrostation

Im Außenbereich kann man sich noch altes Militärgerät ansehen. Die Anzahl ist beachtlich und man kann Ewigkeiten in den riesigen Park des Sieges verbringen. Da ich aber Sehnsucht nach meiner Herzensdame hatte, habe ich nach einem groben Überblick die Rückreise aus dem Westen Moskaus angetreten. Dabei habe ich einen Punkt nicht beachtet. Es war Freitag ca. 13 Uhr. Neben den Park des Sieges befand sich eine Moschee, welche pünktlich mit meinem Passieren des Gotteshauses das Freitagsgebet beendet hatte. Die Jungs hatten es alle eilig und somit hatte ich das Vergnügen mit über 1000 anderen Männern mich gleichzeitig in die U-Bahn zu quetschen. Das Timing war so perfekt, dass wir das gleiche Schauspiel eine Stunde später in der U-Bahn-Station Prospekt Mira nochmal erleben durften. Diesmal aber mit der 10-fachen Menge, da sich hier die Zentralmoschee von Moskau befindet.

Nach einem weiteren Besuch auf dem Izmaylovskiy Bazar fuhren wir in die VTB-Arena. Dort hatten wir Karten für das Eishockeyspiel zwischen Dynamo Moskau und Red Star Kunlun aus Peking. Einen detaillierten Bericht darüber gibt es an dieser Stelle. Den restlichen Abend verbrachten wir mit einem Spaziergang auf dem Arbat, einer netten Flaniermeile im westlichen Zentrum von Moskau. Zu Abend gegessen haben wir im Lepim / Varim. Ein modernes Selbstbedienungsrestaurant welches die traditionellen Pelmeni neu interpretieren. Sehr passend ist da der Slogan auf den Shirts der Mitarbeiter „Make Pelmeni great again“. Ein wirklich empfehlenswertes Restaurant, mit einer ordentlichen Auswahl an Craft-Beer.

Etwas schlapp nach hunderttausenden Schritten und dutzenden Kilometern waren wir jetzt ordentlich platt. Die letzten Stunden in Moskau dienten eher der Entspannung, bevor uns ein zuvorkommender Uber-Fahrer die 45 Kilometer zum Flughafen Wnukowo fuhr. Nur 20 Euro kostete uns die Fahrt, welche auch schöne Einblicke in die Moskauer Vororte bot.

Leider endete nach acht Tagen diese wunderbare Reise. Vieles von den erlebten lässt sich nur schwer in Worte fassen und auf Bilder bannen. Leider blieb der sonst übliche Schnee aus, aber dafür haben die Regentropfen immer und immer wieder den wunderschönen Flippers Klassiker hervorgerufen.  

Moskau im Regen, Tränen im Gesicht

wann kommst du wieder, ich warte auf dich!

Moskau im Regen mein Herz bleibt bei dir

und meine Sehnsucht

die ich nie verlier!


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