Leseempfehlungen

Die Brücke über die Drina - Eine Chronik aus Višegrad

ivo andric die brücke über die drina roman

Eine Rezension über ein Literaturnobelpreis gekröntes Buch schreiben? Nee… Das traue ich mir dann als Hobbyblogger doch nicht zu. Viel mehr möchte ich für Ivo Andrićs Roman "Die Brücke über die Drina" aus seiner "Bosnischen Trilogie" werben. Eigentlich sollte für ein Werk nicht geworben werden, wenn der Schriftsteller für dieses einen Nobelpreis erhalten hat, doch das Werk stammt aus dem Jahr 1945, der Nobelpreis von 1961. Da hat es natürlich durchaus potential, dass man den Schriftsteller und seine Werke vergisst.

 

Bei Balkaninteressierten wird Andrić mit hoher Sicherheit niemals in Vergessenheit geraten. Der Andrić, geboren 1892 bei Travnik in Zentralbosnien, gilt als der berühmteste Literat Jugoslawiens. Wer sich über Balkanliteratur informiert, kommt an ihm nicht vorbei und im speziellen nicht an der Brücke über die Drina. Doch was hat es damit auf sich? Die Brücke über die Drina gibt es wirklich, es handelt sich dabei um die Mehmed-Paša-Sokolović-Brücke in der bosnischen Stadt Višegrad, an der Grenze zu Serbien. Eine uralte Brücke, welche 1571 im Auftrag des Großwesir Mehmed Pascha erbaut wurde. Andrić bedient sich dieser Brücke um die Geschichte des Balkans zu erzählen und damit gelingt ihm ein Meisterwerk. Ich glaube, es gibt kein vergleichbares Werk, in dem ein Schriftsteller anhand eines einzelnen Gebäudes die Chronik einer gesamten Region erzählen kann. Bildlich gesprochen, zieht er die Geschichte über die Brücke und die Stadt Višegrad. Das klingt eventuell verwirrend, aber die Brücke ist das verbindende Symbol von Okzident und Orient.

 

Seine Višegrad Chroniken werden offiziell als Roman eingestuft, aber zu einem Roman gehört ein Held, welcher vom Anfang bis zum Ende eines Buches Bestandteil der Handlung ist. In diesem Buch wäre die Heldin eine uralte Steinbrücke aus osmanischer Herrschaftszeit. Andrić beginnt seine Chronik mit der Situation kurz vor dem Bau der Brücke, bis zu deren versuchter (und teilweise erfolgreichen) Sprengung durch die abrückenden Österreicher während des Ersten Weltkrieges.

 

Sehr interessant finde ich, dass Ivo Andrić das Buch, sowie die beiden anderen Teile der Trilogie "Wesire und Konsuln" und "Das Fräulein", während des Zweiten Weltkrieges schrieb. Wohlgemerkt in Belgrad, eine Stadt welche erheblich unter der Nazidiktatur zu leiden hatte.

 

Andrić war überzeugter Jugoslawe. Die Vereinigung der Südslawen zu einer Nation trieb ihn an. Umso mehr würde es ihn heute ärgern, wenn er wüsste dass Kroaten, Bosnier und Serben sich über die Rechte seiner Bücher streiten. Des Weiteren versuchen vor allem die Serben seine Werke als serbisch-nationalistisch umzudeuten. Die Brücke über die Drina wird auch als Kritik an der bosnischen Gesellschaft ausgelegt, wobei der Autor selber Bosnier war. Und sogar überzeugter Bosnier, denn er war Mitglied von Mlada Bosnia (Junges Bosnien), eine Organisation welche sich revolutionär gegen die Habsburger und für ein gemeinsames Jugoslawien einsetzte.

Wer sich weiterführend über jugoslawische Literatur informieren möchte, den sei diese Folge des Balla Balla Balkan Podcast nahegelegt: Link zur Folge

 

Ivo Andrić "Die Brücke über die Drina", Preis: 11,90 €, dtv Verlagsgesellschaft, 9. Auflage 2020, Originalausgabe 1945 unter dem Titel "Na Drini Cuprija" in Belgrad, 494 Seiten inklusive Nachwort von Karl-Markus Gauß, Link zum Buch beim dtv Verlag

Freiheit für Maciek – Wie mir das System 40 Monate meines Lebens raubte

Buch Freiheit für Maciek Speziale Libero

Maciej Dobrowolski, Łukasz Kowalski

 

Polizei! Aufmachen!

 

Vor dieser Aufforderung fürchtet sich wahrscheinlich jeder, der schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Umso erschreckender muss es sein, wenn es dann wirklich passiert. So geschehen bei Maciej (genannt Maciek) Dobrowolski im Jahr 2012, als die polnische Justiz wegen der Europameisterschaft am Rad drehte.

 

Maciek wurde früh morgens abgeholt und wusste nicht mal warum oder was er verbrochen hat. Er dachte an eine Verwechslung, die sich bald aufklären wird und er wie geplant die Hochzeit mit seiner Verlobten durchführen kann. Doch daraus wurde nichts. 40 lange Monate Haft, das sind fast 3,5 Jahre, musste er einsitzen. Warum? Weil eine Person aus Warschau ins Visier der Fahnder auf Grund von Drogengeschäften kam. Um seinen eigenen Arsch zu retten, fungierte er als Kronzeuge und  schob den schwarzen Peter flüchtigen Bekannten zu. So dummerweise auch Maciek, der mit dieser Person mal eine längere Mitfahrgelegenheit in die Niederlande unternahm.

 

Was hat das Ganze mit der EM zu tun? Maciek gehört zur aktiven Fanszene von Legia Warschau. In Vorbereitung auf die Europameisterschaft in Polen und Ungarn traf es viele führende Köpfe der Kurven, da man im Rahmen des Turniers mit Ausschreitungen rechnete. Da kam die schleierhafte Behauptung der Justiz ganz recht, denn damit konnte wieder eine Figur aus der Fanlandschaft weggeknackt werden. Der Aufschrei war natürlich riesig. Neben Freunden und Fans seines geliebten Vereins verstanden auch viele andere Menschen in Polen die Willkür an dieser Verhaftung. Tausende Postkarten mit aufmunternden Botschaften erreichten Maciek. Unter dem Hashtag #uwolnicMacka (Freiheit für Maciek) forderten sie die Freilassung.

 

Das Buch wurde in Deutschland vom Blickfang Ultra Verlag veröffentlicht. Erwähnenswert ist die Leistung von Mirko Otto, welcher das Buch eigenständig übersetzte, nachdem er sich selber polnisch beigebracht hat. Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen, auch für nicht Fußballfans. Maciek beschreibt die Gedanken und das Leben im Knast eindrucksvoll. Es handelt von Repression, Schikane, aber auch von Solidarität und vermeintlicher Liebe. Besonders hat mir gefallen, dass am Ende des Buches sein Kumpel Łukasz die ganze Situation von außerhalb des Gefängnisses beschreibt. Er zählt die zahlreichen Soli-Aktionen auf, schildert die Reaktionen der Familie und Freunde. Es zeigt wie wichtig es ist, einen starken Bund an wahren Freunden um sich zu haben. 

 

Burkhardt & Partner Verlag, Erschienen 01.04.2019, 200 Seiten, 11,90 €, Onlineshop


Balkan-Mafia: Staaten in der Hand des Verbrechens - Eine Gefahr für Europa

Eher durch Zufall bin ich vor zwei Jahren auf das Buch "Balkan-Mafia" gestoßen. Ein Versandhaus für gebrauchte Bücher habe ich nach Büchern mit dem Thema "Balkan" durchsucht und dieses wurde mir neben 2943 verschiedenen Reiseführern vorgeschlagen.

 

Der Titel "Die Balkan-Mafia: Staaten in der Hand des Verbrechens – Eine Gefahr für Europa" klingt natürlich erstmal total reißerisch. Für mich auch eher abschreckend. Aber eine kurze Recherche zum Autor und das Vertrauen in das Buch kehrte zurück. Norbert Mappes-Niediek ist seit 1992 Korrespondent für Südosteuropa, war 94/95 Berater des UNO-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien und schreibt u.a. für die Zeit, Frankfurter Rundschau, Der Standard und Financial Times. Da er bosnisch/serbisch/kroatisch spricht, kann er auch sehr gut und viel tiefer in die Gegebenheiten in Südosteuropa eintauchen und recherchieren.

 

Mappes-Niediek beschreibt in seinem Buch wie sich im ehemaligen Jugoslawien mafiöse Strukturen mit dem Zerfall der Bundesrepublik etablieren konnten. Dabei wechselt er immer wieder die Sichtweise: wie "wir" im Westen die Situation betrachten und wie sie vor Ort tatsächlich stattfand. Er zeigt auch ziemlich deutlich, dass das wegsehen der EU auf Dauer eine Gefahr für ganz Europa sein kann. Kriminelle Netzwerke befeuerten die Situationen der 90er Jahre mit reichlich Öl, um sich Vorteile zu verschaffen, welche in einem normalen, starken Staat nicht verfügbar gewesen wären. Heute sitzen viele davon in der Politik oder arbeiten in führenden Positionen der Exekutive.

 

Es ist dabei ziemlich spannend zu lesen, wie sich die Eliten mit Verbrechern verbündeten um ihre Positionen zu behalten oder ihre Macht auszubauen. Faszinierend ist auch die Detailliertheit der Fälle, die Mappes-Niediek in seinem Buch beschreibt. Als Kritikpunkt muss man aber einfügen, dass hier und da Quellenangaben mehr Vertrauen geschaffen hätten.

 

Das Buch stammt bereits aus dem Jahr 2003. Für Leser, welche noch nicht in Serbien, Montenegro oder Bosnien waren, wird das Buch wohl sehr erschreckend sein. Vielleicht war es auch so um 2000 herum. Aber Angst vor Kriminellen braucht man mit Sicherheit heute nicht mehr dort zu haben (ich schwöre!). Dennoch sind die strukturellen Probleme, vor allem in Bezug auf Korruption, noch immer vorhanden. Und noch immer schaut die EU weg und pumpt lieber Hilfsmittel und Fördergelder in schwarze Löcher. Am Ende des Buches liefert der Autor noch Lösungsansätze für die EU, welche man aber schon kritisch hinterfragen muss. Denn z.B. ist Kroatien bereits der EU beigetreten und nach der Definition von Mappes-Niediek integriert. Korruption gibt es dort aber noch immer.

 

Mein Fazit: Ein klasse Buch für die Balkan interessierte Leserschaft. Der Beginn ist mit einem beschriebenen Konflikt aus Mazedonien etwas holprig / langwierig. Danach wird’s aber richtig spannend. Allerdings sollten bisher nicht so gut informierte Leser über die Konflikte der 80er und 90er Jahre das Buch noch etwas zur Seite legen. Um alles gut zu verstehen, sollte man auf Anhieb wissen wer Karadžić, Tudjman, Milošević, die UÇK oder der Kommandant Remi war. Viele Personen, Handlungen und Hintergründe werden nicht oder nur kaum näher erklärt. Hintergrundwissen wird des öfteren vorausgesetzt.

 

Erschienen September 2003, 216 Seiten, Ch. Links Verlag, ISBN: 978-3-86153-313-9

Autor: Norbert Mappes-Niediek


Campino: Hope Street. Wie ich einmal englischer Meister wurde.

Hope Street Buch Campino Die Toten Hosen

Die Ankündigung über Campinos erstes Buch flatterte über den Toten Hosen Newsletter herein. Hope Street – wie ich englischer Meister wurde. Beflügelt hat mich die Ankündigung tatsächlich nicht, da mein erster Gedanke war: Ein Sky-Couch-Potato schwärmt über die erste Meisterschaft des Liverpool FC nach 30 Jahren. Somit beschäftigte ich mich erstmal nicht weiter mit dem Buch, bis die Ankündigung kam, dass Herr Frege bei uns in Erfurt sein Buch vorstellen wird. Die Lesung im Oktober 2020 war ganz okay, es gab kleinere musikalische Einlagen und die ungewohnte, aber spürbare Aufgeregtheit von Campino wirkten sehr sympathisch.

 

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle noch kurz erwähnen, dass ich riesiger Toten Hosen Fan bin. Das Album Opium fürs Volk stibitzte ich damals als 8-jähriger meinem Bruder. Ich verstand sicherlich die Texte nicht ansatzweise, aber der Sound war genial. Vermutlich genauso wie die Ohrfeigen die es dafür von meinem Bruder hagelte.

 

Also beschloss ich mir nach der Lesung das Buch zu kaufen. Eine Woche später bekam ich Corona-Symptome und sitze nun seit mittlerweile drei Wochen zuhause, da diese nicht so recht verschwinden wollen. Als Ursache könnte die Lesung Campinos vielleicht sein, aber zurückverfolgen lässt sich der blöde Virus schon lange nicht mehr. Ein Vorteil hats: entsprechend schnell konnte ich Hope Street durchlesen und euch nun hier präsentieren.

 

Das Buch begleitet den Sänger vom ersten Spieltag der Saison 19/20 bis zum Meistertitel in Coronazeiten im Jahr 2020. So könnte man den Inhalt des Buches extrem kurz beschreiben. Allerdings ähnelt es eher einer Autobiographie, denn er verfällt immer wieder in die Geschichte seiner Familie, die dank seiner englischen Mutter im Nachkriegsdeutschland doch recht spannend ist. Und genau das ist der große Pluspunkt des Buches. Eine Familienkonstelation, die sicherlich nicht häufig in Deutschland der 50er Jahre vorkam. Ich bin eigentlich kein großer Fan eines Personenkults, aber in den Familiengeschichten, die über das ganze Buch immer wieder aufflammen, fängt Campino mich als Leser. Beschreibt er allerdings seine Leidenschaft als Fan des Liverpool FC, empfindet man das Buch manchmal als schlechte Kopie von Nick Hornbys „Fever Pitch“. Vielleicht bin ich dabei aber auch etwas voreingenommen. Ich bin Fan eines derzeitigen Fünftligisten. Wir haben keine Directors Box, die VIP Logen gehören lokalen Handwerksbetrieben oder dem Chefarzt des Krankenhauses. Wir jetten nicht durch halb Europa und träumen auch von keiner Meisterschaft. Wir spielen gegen den VfB Kriechow, statt gegen Manchester United. Da entwickelt man ganz unterbewusst eine Abneigung gegenüber Fans von Erstligisten, die nicht mal in der Stadt oder dem Land ihrer Mannschaft wohnen. Trotzdem erwische ich mich in ein paar Ähnlichkeiten. Für Campino war der Fußball zu Beginn seiner Zeit als Punk nach hinten gerückt. Das war bei mir damals genau so. Verfolgte ich vorher noch immer ganz gespannt Sport im Osten, so verschwand der Drang danach, da ich eh jeden Samstag auf irgendwelchen Konzerten war. Auch der Drang in England den Punk zu entdecken, war in mir groß. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Ausflug nach London. Keine Zeit für Big Ben & Co, Camden Town musste entdeckt werden! Ein Blick ins Electric Ballroom war mehr wert, als ein Foto der Tower Bridge.

 

Wer auf einem Konzert der Hosen war, weiß das er Fan des LFC ist. Mich überraschte es aber tatsächlich, dass er schon so lange und so oft nach England und halb Europa fährt, um die Spiele zu sehen. Die Frage, wie und warum er Fan wurde wird geklärt. Mit diesem Familienhintergrund ist es irgendwie auch gar nicht mehr so überraschend. Auch die entstandene Freundschaft zur Familie Klopp liest sich sympathisch. Man wünschte sich, auch einmal bei einer „After-Match-Session“ in Klopps Küche dabei sein zu könne. Dennoch muss ich ein paar Kritikpunkte los werden. Für einen Punkrocker hätte ich mir bei einigen Themen eine kritische Anmerkung gewünscht. Mohammed Salah, ein fabelhafter Fußballer, wird auch von Campino gelobt, fast verehrt. Keine Zeile über seine vielfachen Fehltritte, wie Salah z.B. seinen Nationalmannschaftskollegen Amr Warda in Schutz nimmt, der mehrfach Frauen sexuell belästigt hat. Oder als Salah sich mit dem tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow zur WM 2018 in Russland getroffen hatte. Weiterhin erwähnt Campino mehrfach die vielen ausländischen Fans in der Premier League. Aber kein Wort darüber, dass sich Einheimische kaum noch Tickets leisten können, die Liga sich schon lange nach Asien ausstreckt, um neue Märkte zu erschließen. Stattdessen fährt Campino selber nach Katar, um die Club WM zu sehen. Ein letzter Punkt: der Liverpool FC in der Corona Kriese.Klar, niemand schreibt in einem Buch voller Lobeshymnen auf den eigenen Club gerne auch Kritik über diesen. Doch von einem Musiker, der zumindest früher gerne den Finger in die Wunde gedrückt hat, kann man das schon erwarten. Sein geliebter Club präsentierte sich während des ersten Corona Lockdown auch nicht immer so Arbeiternah, wie er sich gerne gibt. Stattdessen gab es Zwangsurlaub und ein Hilfsprogramm des Staates, welcher 80% der Gehälter übernommen hat. Bei einem Milliardenschweren Fußballverein!

 

Zusammengefasst muss ich sagen: Hätte er den Schwerpunkt verteilt auf sein Leben, mit den Hosen, seiner Familie und dem Fußball gelegt, wäre ein besseres Buch draus geworden. Die Fußballberichte in den Logen und Katakomben der Premier League sind für uns „normale“ Fans zu weit weg, um sie halbwegs authentisch und interessant wirken zu lassen. Alles andere in dem Buch ist aber durchaus lesenswert, natürlich vorausgesetzt man kann was positives mit dem Mensch Andreas Frege anfangen. Dennoch lassen sich die Hosen nicht lumpen und veröffentlichen Mitte November noch ein Album mit typischen Liverpooler Mersey Sound dazu. Weiterhin gibt es ein Hörbuch, gelesen vom Autor persönlich und musikalischen Einlagen von Campino und Kuddel.

 

Erschienen am 05.10.2020, 368 Seiten, Piper Verlag, 22 €, auch erhältlich als E-Book und Hörbuch


Stadionrebellen - Eine Geschichte der italienischen Ultrabewegung

Stadion Rebellen Buch Ultras

Bücher über die Ultrabewegung sind gar nicht mehr so selten. Leider versuchen sich aber zuviele selbsternannte Journalisten, Experten oder Wissenschaftler an dieser Bewegung. Bei dem Buch Stadionrebellen ist das anders, denn als Verleger tritt die Szene in Form des „Erlebnis Fußball“ Magazins selbst auf.

Behandelt wird die Geschichte der italienischen Ultrabewegung. Angefangen in der Geschichte in der Antike, wo es schon zu Ausschreitungen in den Arenen der Gladiatoren kam, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, als der Fußball aus England nach Italien schwappte. Und ganz speziell natürlich die Geschichte der Ultras und deren Entstehung in den 1970er Jahren. In diesem Buch wird fast wissenschaftlich alle relevanten Themen im Bezug auf Ultras abgehandelt: Repressionen, Fanatismus, Gewalt, Drogen, Stadien, Freundschaften und Feindschaften.

Ein Großteil der Fakten ist mit Quellen angegeben, es werden diese zitiert und analysiert. Diesen Umstand geschuldet lässt sich das Buch etwas wie eine wissenschaftliche Arbeit lesen. Das macht es nicht immer so flüssig und packend, aber es werden allerdings auch keine ausgedachten Geschichten erzählt.

Übersetzt wurde das Buch von Kai Tippmann. Ein weiterer Vorteil des Buches, da er selber ein Kenner der italienischen Fankultur ist und viele Fußnoten und Erklärungen beisteuert.

Ich habe das Buch während unserer dreiwöchigen Süditalien-Reise gelesen. Am Strand der Sorrent-Halbinsel und mit Blick auf Neapel. Das sorgt für die perfekte Atmosphäre und Spirit.

Ich empfehle das Buch auch denjenigen, der noch keine Berührungspunkte mit der Ultrakultur gehabt hat. Man benötigt auf Grund der wissenschaftlichen Abhandlung der Themen etwas Geduld beim Lesen, aber am Ende hat man einen nahezu allumfassenden Einblick in diese Kultur und kann sich unabhängig von skandalösen Polizeiberichten eine gutes Bild über die wohl größte Subkultur Europas machen. Denn auch mit kritischem Blick wird die Szene durchleuchtet und hinterfragt. 

 

Autor: Pierluigi Spagnolo, übersetzt von Kai Tippmann (Altravita Blog)

Direktvertrieb über den Erlebnis Fußball Onlineshop für 19,95 €, Erschienen im April 2020


Thees Uhlmann - Die Toten Hosen

Thees Uhlmann Buch Die Toten Hosen

Vor einiger Zeit habe ich eine Facebookveranstaltung wahrgenommen. Thees Uhlmann und die Toten Hosen, klingt ja erstmal super. Beim genaueren hinsehen habe ich gemerkt, dass es sich um eine Lesung handelt, welche in Nullkommanix ausverkauft war. Seitdem sind ein paar Monate vergangen und so schnell wie diese Facebookmeldung aufpoppte war sie in meinen Gedanken auch schon wieder verschwunden.

Alle Jahre wieder jährt sich mein Geburtstag. So auch bereits dieses Jahr und als ob ich mit der Ton Steine Scherben “Keine Macht für Niemand“ Schallplatte nicht schon ein ausreichend geniales Geschenk von meinen Freunden Felix und Katja erhalten habe, so legten sie noch dieses Buch drauf.

Was sie nicht wussten, dass sie neben wunderschönen Musikabenden, mir ein krasses Flashback meiner Jugend entzauberten. Denn genau das löste dieses Buch aus. Teilweise dachte ich, dass Thees Uhlmann und ich die gleiche Jugend erlebt haben, nur das er 14 Jahre früher geboren ist.

Aber von vorn: Das Buch von Thees reiht sich in die Buchserie „KiWi Musikbibliothek“ ein. Das Konzept der Serie ist, dass Musiker über ihre Lieblingsbands schreiben. Locker flockig, über ihre Erlebnisse und Erinnerungen mit der Band / dem Künstler. Andere Bücher sind z.B.: Lady Bitch Ray über Madonna, Markus Kavka über Depeche Mode oder Frank Goosen über die Beatles.

Ich muss zugeben, dass ich mich vorab nicht über das Buch belesen habe und das Konzept nicht kannte. Somit war es ein Sprung ins kalte Wasser und man war mittendrin in der Vorbereitung zu Uhlmanns ersten Konzert von den Toten Hosen. Übrigens 1988, mein Geburtsjahr… also parallelen gibt’s definitiv! Das Büchlein ist flott geschrieben, man könnte meinen man sitzt mit Thees am Tisch bei Kippe und ein Bierchen und er erzählt eine Geschichte. Also wie seine Musik selbst, grandios!

Im weiteren Verlauf geht’s um Sauren Apfel, Booklets und mein liebstes Livealbum „Bis zum bitteren Ende“. Selbst beim schreiben dieser Worte habe ich sofort dieses Intro wieder im Ohr. Ich denke das sich in dem Buch viele wiederfinden werden, die irgendwo (behutsam) in der Provinz aufgewachsen sind und langsam, aber sicher Punk-Musik für sich entdeckt haben.

 

Das Buch hat nur 177 Seiten, es ist daher flott durchgelesen. Wer zum ernsten Krimi oder zum langweiligen Prüfungskram eine Abwechslung braucht, kann gerne zu diesem Buch greifen! Als Fan der Toten Hosen erfährt man auch ein paar Background- und Backstagegeschichten.

 

KiWi Verlag, 12 € 


Paul Schäfer. Erfurter Kommunist, ermordet im Stalinismus.

Paul Schäfer ist vielen Erfurtern ein Begriff. Einmal gab es in der Nähe des Steigerwaldstadions auf dem Lingelgelände die VEB Schuhfabrik "Paul Schäfer" und noch heute trägt eine stark befahrene Straße im Erfurter Norden seinen Namen. Doch wie so oft wissen die meisten nicht, was oder wer hinter den Straßennamen verbirgt. Ich muss zugeben, bis vor kurzem wusste ich auch nicht genau, wer Paul Schäfer eigentlich war.

 

Eher zufällig bemerkte ich im Dezember 2019 einen Facebookbeitrag einer Freundin, die für das Buch "Paul Schäfer. Erfurter Kommunist, ermordet im Stalinismus" geworben hatte. Der Titel und die Aufmachung dieses Werkes haben mich interessiert und nach einer kurzen Recherche bemerkte ich, dass ich einen der Autoren persönlich kenne. Es handelt sich um den Urenkel von Paul Schäfer. Spätestens da stand fest, dass ich dieses Buch lesen muss. Buch ist vielleicht etwas übertrieben, es handelt sich um eine wissenschaftliche Arbeit, welche als Broschüre veröffentlicht wurde.

 

Die Publikation befasst sich mit dem Leben des Erfurter Schuharbeiters, in der spannenden und politisch aufgeladenen Zeit der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. So handelt der erste Teil der Arbeit vom gewerkschaftlichen Kampf in Erfurt, das Leben der Arbeiter und den Aufstieg Schäfers zum kommunistischen Funktionär. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten muss Schäfer fliehen, über Frankreich erreichte er auf Umwegen die Sowjetunion, wo er sich in Sicherheit glaubte.

 

Doch sein Exil war eine Einbahnstraße. Schäfer überlebte nicht den Großen Terror und wurde vom NKWD hingerichtet, als vermeintlicher faschistischer Spion.

In der DDR entstand nach dem zweiten Weltkrieg ein Opfer-Mythos um Paul Schäfer. Viele Jahre hat sich hartnäckig die Geschichte gehalten, dass Schäfer im spanischen Bürgerkrieg beim Kampf gegen Franco gefallen sei.

 

Das Werk von Annegret Schüler, Stefan Weise und Thomas Schäfer arbeitet mit wissenschaftlichen Methoden und Quellen das Leben von Paul Schäfer auf. Das Leben von Schäfer ist von Kampf, Solidarität, Flucht und Leid geprägt, allein seine Biographie ist hochspannend. Zusammen mit dem Leben der Arbeiter und der Entwicklung von Gewerkschaften im damaligen Erfurt ist es ein rundum interessantes Werk, untersetzt mit Quellen welche keine Zweifel aufkommen lassen.

 

Veröffentlicht wurde die Publikation von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen. Sie erschien am 01.12.2019 und kann bei der Landeszentrale kostenfrei bestellt werden. Bitte beachten: Für Menschen in Thüringen wird eine Gebühr für bis zu drei Büchern in Höhe von 4 € erhoben. Für 4-7 Bücher wird eine Gebühr  von 6 € erhoben. Außerhalb Thüringens werden 5 € pro Buch erhoben.

Landeszentrale für politische Bildung Thüringen

Paul Schäfer Moskau
Mit Paul Schäfer in Moskau

Im Moskauer Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges wird mit einer ewigen Flamme allen Opfern des Krieges erinnert. Nicht aber denen, welche durch falsche Behauptungen und unter Paranoia zum Tode verurteilt wurden. 


Die Grenze - Eine Reise rund um Russland von Erika Fatland

Erika Fatland Die Grenze Buch Flugzeug
Auch in Russland habe ich das Buch über Russland gelesen :)

vom 07.01.2020

Eigentlich war ich bei Peterknecht, mein liebstes Erfurter Buchgeschäft, auf der Suche nach einen Reiseführer über Litauen. Da lächelte mich das bunte, leicht sowjetisch angehauchte, Cover von diesem Buch an. Eine Reise um Russland... Das klingt vielversprechend und irgendwie verrückt.

 

Die Umrundung des größten Landes der Welt kann kein klassischer Reisebericht sein. Darauf legt es die Journalistin Erika Fatland aus Norwegen auch gar nicht an. Vielmehr schafft sie mit ihrem Buch, nach über drei jähriger Recherchezeit, ein Nachschlagewerk über die angrenzenden Länder, Teilrepubliken und Regionen. Die politischen sowie gesellschaftlichen Hintergrundinformationen sind so detailliert, aber niemals langatmig niedergeschrieben, dass man vor dieser akribischen Arbeit und den Mut diese Regionen zu besuchen, nur den Hut ziehen kann. In 14 Staaten und über 20.000 Kilometern berichtet sie von abenteuerlichen Taxifahrten, dubiosen Reiseleitern, aber auch von persönlichen Schicksalen. Sie vergisst nie die Menschen die dort leben und erzählt ihre Geschichten. Egal ob in Metropolen wie Kiew oder in der mongolischen Steppe. Neben der Porträtierung der Menschen, schafft sie auch ein Bild  Russlands aus Sicht der zahlreichen Nachbarn – welches wirklich äußerst interessant ist! Die Idee Russland zu umrunden ist verrückt, aber es so zu machen wie Erika Fatland, ist noch verrückter. Sie schließt sich zwar Reisegruppen hier und da an, aber im Großen und Ganzen reist sie allein und kann sich dadurch viel Zeit nehmen, vorausgesetzt das jeweilige Visum lässt es zu. Mit dem Mix aus viel geschichtlichen Hintergrund und unterhaltsamen Reisebericht trifft sie genau meinen Nerv. Auf Grund genauer Ortsbeschreibungen habe ich auch nicht selten das Handy gezückt, um die Route bei Google Maps verfolgen zu können. Somit wurde das Buch schon fast multimedial. Daher von mir eine klare Leseempfehlung!

Im Übrigen ist das sowjetisch angehauchte Artwork kein Zufall. Denn Fatland schrieb vor diesem Buch schon den Spiegel Bestseller Sowjetistan - Eine Reise durch die ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens. Dieses wird sich auch nicht mehr lange vor mir verstecken können.

 

Erschienen im Suhrkamp Verlag am 09. April 2019. 623 Seiten, mit ein paar wenigen Farbfotos und Karten für 20 €. 


Kommentare: 0

EL-ROADIE.de - Der alternative Reise- und Fußballblog aus Erfurt.